Im Frühling 2020 hat der Teil-Lockdown zur Eindämmung von Covid-19 dazu geführt, dass die städtischen Wälder eine noch nie dagewesene Bedeutung erlangt haben. Der nahe Wald wurde für viele Menschen zum Rückzugsort, Sportplatz, Spielplatz, Fitnessstudio, Besinnungsort usw.

Verschiedene Forscher:innen, die sich mit dem Thema Freizeit und Erholung im Wald beschäftigen, nutzten den partiellen Lockdown im Frühling 2020, um ihre Studien zu intensivieren und den Einfluss des partiellen Lockdowns auf die Waldbesuche wissenschaftlich zu dokumentieren. Daraus entstanden sind verschiedene Studien (siehe unten). Einige Erkenntnisse aus den Untersuchungen:

 

  • Die meisten Studien zeigten, dass die Anzahl Personen im Wald während des Corona-Lockdowns deutlich gestiegen ist, vor allem in stadtnahen Wäldern.

  • Es gab einen Unterschied zwischen den Stadtbewohner:innen, die den Wald häufiger besuchten als sonst, und Leuten ausserhalb der Städte, wo ein Rückgang der Waldbesuche beobachtet wurde.

  • Es kamen mehr Jugendliche und mehr Familien mit Kindern in den Wald.

  • Der Wald hat den Leuten geholfen, mit der Situation umzugehen. Er bot die Möglichkeit, in die Natur zu gehen, positive Gefühle und Abwechslung zu erfahren, sich zu entspannen und sich körperlich fit zu halten.

  • Für viele Besucher erfüllte der Wald in dieser Zeit die gleichen Funktionen, die sonst öffentliche Räume erfüllen. Der Wald wurde nicht nur als Naturraum konsumiert, sondern auch als sozialer Raum konstruiert.

  • Freizeitaktivitäten mit kontemplativem Charakter standen im Vordergrund.

  • Die Zahl der Menschen, die körperliche Bewegung als Motivation für einen Waldbesuch nannten, stieg an.

  • Vielerorts konnte eine Aneignung des Waldes beobachtet werden, mit sehr unterschiedlichen Motiven und zu unterschiedlichen Zwecken.

  • Eine Befragung zeigte, dass Waldbesuche im Durchschnitt kürzer ausfielen und näher zum Wohnort stattfanden als üblich. Eine andere Studie zeigte, dass die einzelnen Waldbesuche länger dauerten.

  • Die Leute besuchten den Wald hauptsächlich, weil sie mehr Zeit und einen flexibleren Arbeitsplan (Homeoffice) hatten und weil es kaum Möglichkeiten für alternative Aktivitäten gab.

  • Das Besuchermuster änderte sich sowohl im Tagesverlauf als auch im Wochenverlauf: Es gab kaum noch Unterschiede zwischen Wochenend- und Werktagen.

  • Die stark gestiegenen Besucherzahlen führten zu einer höheren Wahrscheinlichkeit für Konflikten zwischen verschiedenen Aktivitäten sowie zwischen Freizeitaktivitäten und anderen Waldnutzungen.

  • Der Zustrom von mehr und unerfahrenen Besuchern stellte die Waldbewirtschafter:innen und die städtische Waldpolitik vor grosse Herausforderungen.


AfW (2020): Austausch von Forschenden zum Thema «Freizeit und Erholung im Wald in Zeiten von Covid-19»

Die Arbeitsgemeinschaft für den Wald führte Ende Juni 2020 interessierte Forscher:innen zusammen und organisierte einen Video-Austausch zum Thema «Freizeit und Erholung im Wald in Zeiten von Covid-19».


Wunderlich A.C., Salak B., Hegetschweiler T., Bauer N., Hunziker M (2021): The woods are calling: Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Schweizer Waldbesuche. WSL-Berichte Vol. 115, Seiten 49-52.

Die Studie untersucht, inwiefern die Covid-19-Inzidenzen sowie die pandemiebedingten Regulierungen der Arbeit (Homeoffice und Kurzarbeit) Auswirkungen auf die Waldbesuche in der Schweiz hatten. Dazu wurden die Daten aus Wamos 3 (Umfrage eine Woche vor Verhängung der Covid-19-Massnahmen) sowie aus einer Wiederholung der Umfrage zwei Wochen danach verwendet. Es zeigt sich ein signifikant positiver Einfluss von Homeoffice auf die Besuchshäufigkeit von Wäldern.


Egeter M., Finger-Stich A., Karn S., Ketterer Bonnelame L., Schellenberger S., Siegrist D. (2020): Bleiben Sie zu Hause. Bitte. Alle. Zwei Befragungen zum Freizeitverhalten der Bevölkerung in Bezug auf Frei- und Grünräume während der Coronakrise in der Schweiz. Institut für Landschaft und Freiraum und Hepia Genf.

Zwei repräsentative Umfragen in den Kantonen Genf und Zürich während der Zeit des teilweisen Lockdowns im Frühling 2020 hatten das Ziel, das veränderte Verhalten und die Einstellung der Bevölkerung in Bezug auf Frei- und Grünräume zu ermitteln. Zudem wurden in der Deutschschweiz Personen über 65 Jahre online befragt.


Weinbrenner H., Breithut J., Hebermehl W., Kaufmann A., Klinger T., Palm T. Wirth K. (2021): «The forest has become our new living room» – The critical importance of Urban Forests during the COVID-19 Pandemic. Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg

Am Beispiel der Wälder rund um die süddeutsche Stadt Freiburg wurde in einer Mixed-Methods-Studie untersucht, wie Aneignungspraktiken während der Covid-19-Pandemie funktionierten und welche Bedeutung der Wald dabei für die Stadtbewohner:innen hatte. Die Ergebnisse zeigen, dass viele Besucher sich den Wald mit sehr unterschiedlichen Motiven und zu unterschiedlichen Zwecken aneigneten.


Derks J., Giessen L., Winkel G. (2020): Covid-19-induced visitor boom reveals the importance of forests as critical infrastructure. Forest Policy and Economics. Vol. 118.

Die Studie untersuchte die Auswirkungen der Covid-Massnahmen auf die Erholung im Wald. Dazu wurde eine Studie, die vor Covid-19 in einem Stadtwald bei Bonn durchgeführt wurde, mit quantitativen und qualitativen Daten ergänzt und durch Experteninterviews unterstützt. Die Besucherzahlen hatten sich nach Einführung der Covid-19-Massnahmen mehr als verdoppelt. Zudem haben sich die Besuchsmuster drastisch verschoben.


Da Schio N., Phillips A., Fransen K. et al. (2012): The impact of the Covid-19 pandemic on the use of and attitudes towards urban forests and green spaces: Exploring the instigators of change in Belgium. Urban Forestry & Urban Greening. Vol. 65.

Die Studie wertete die Antworten einer Umfrage bei 2000 Befragten in Belgien aus. Es wurde ein explorativer Ansatz gewählt, um Veränderungen in der Einstellung gegenüber städtischen Wäldern und Grünflächen in Bezug auf die Attraktivität (d. h. das tatsächliche Nutzungsverhalten), die beabsichtigte Nutzung (d. h. die Absicht, Grünflächen aufzusuchen) und das bürgerschaftliche Engagement in Bezug auf Grünflächen zu untersuchen.


Suda M., Gaggermeier A., Ramisch K., Koller N. (2021): Was Waldbesucher im Wald finden. Befragung von über 1000 Waldbesuchern während der Corona-Pandemie. Techn. Universität München. Artikel: LWF aktuell 1/2021

Mithilfe einer Online-Befragung von Waldbesucher:innen wurde der Frage nachgegangen, welche Bedeutung der Wald als Erholungsraum für die Menschen während der Corona-Pandemie hatte und inwiefern der Wald als frei betretbarer Raum eine natürliche Alternative zum häuslichen Lockdown bot. Die Besucherzahlen nahmen um mehr als ein Drittel zu. Der Wald bot einen Ausgleichsraum, in dem sich die Menschen von der geschäftigen Welt erholen, abschalten und einen Raum zum Sinnieren finden.