Wir Menschen sind gerne draussen für Freizeit, Sport und Tourismus. Zunehmend geschieht dies zu allen Tageszeiten, bei jeder Witterung und rund ums Jahr. Dies auch in den abgelegensten Wäldern, tiefsten Bergtälern und höchsten Alpengipfeln. Die Folgen für Natur und Wildtiere werden oft zu wenig beachtet.
Bei der Problematik geht es nicht nur um moderne Trendsportarten wie Canyoning oder Basejumping. Menschen verwenden draussen auch vermehrt technische Geräte, wie E-Mountainbikes, Motorschlitten oder Drohnen. Aber auch früher wenig ausgeübte Fortbewegungsarten wie Schneeschuhwandern werden «neu entdeckt». Mit verbesserter Infrastruktur und Technik haben immer mehr Leute Freude am Wandern, Mountainbiken und an Skitouren. Und jedes Jahr kommen neue Sportarten oder Freizeitaktivitäten hinzu.
Was sind die Folgen für Natur und Wildtiere?
Das Spektrum der möglichen Auswirkungen von Freizeitaktivitäten auf Natur und Umwelt ist gross. Unser Freizeitverhalten scheucht oft Wildtiere auf und zwingt diese zur Flucht. Das verbraucht wertvolle Energie und bringt das Verhalten oder die Sozialstruktur durcheinander. Bei häufigen Störungen kann es zu einem teilweisen Lebensraumverlust oder zu langfristigen Konsequenzen fürs Überleben oder die Fortpflanzung kommen. Zudem sind viele Wildtiere bereits durch andere Faktoren gestresst, beispielsweise durch den Verkehr. Nebst dem direkten Einfluss auf grössere Wildtiere, kann es auch zu Schäden an Kleintieren, an der Vegetation oder am Boden kommen. Der Flächenverbrauch durch Wege oder Pisten nimmt zu und ihre übermässige Nutzung verursacht Trittschäden, Erosion oder Überdüngung.
Mögliche Massnahmen zur Vermeidung von Auswirkungen
Mit verschiedenen kommunikativen Massnahmen kann die Bevölkerung für die Anliegen der Natur sensibilisiert und zu einem respektvollen Verhalten im Wald angeregt werden. Beispiele für solche Massnahmen sind Sensibilisierungskampagnen (>> «Wald-Knigge», >> «Empfehlungen der Verbände»), Umweltbildung oder Besucherinformation in Schutzgebieten (>> «Besucherinformation»). In sensiblen Lebensräumen sollten Freizeitaktivitäten gelenkt und kanalisiert werden (>> «Besuchermanagement»). In besonderen Fällen, z.B. in Wildruhezonen, können sie ganz ausgeschlossen werden (>> «Waldreservate und Schutzgebiete»).
Obwohl es viele wissenschaftliche Studien gibt, welche im Einzelfall Ursachen und Auswirkungen dokumentiert haben, sind allgemeingültige Aussagen sehr schwierig. Ob eine Störung vorliegt und welche relevanten Auswirkungen sie hat, hängt sehr stark von den Rahmenbedingungen des einzelnen Falls ab. Nachfolgend eine kleine Auswahl von Publikationen.
BFH (2020): Analyse des effets réciproques entre les activités de loisirs et de détente, l’écosystème forestier, sa diversité d’habitats et d’espèces et ses autres services écosystémiques. Rapport final. 185 Seiten. Im Auftrag des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) hat die Berner Fachhochschule (BFH) eine Analyse der Wechselwirkungen zwischen den Freizeitaktivitäten im Wald und dem Waldökosystem durchgeführt.
NaturSportInfo: Internet-Plattform des Deutschen Bundesamts für Naturschutz, die neben vielen Informationen zu Sportarten, Lebensräumen und Tierarten eine umfangreiche Literaturdatenbank enthält.
ZHAW (2021): Nächtliche Erholungsaktivitäten im Stadtwald. In dieser Studie wurden im Badener Stadtwald die nächtlichen Erholungsaktivitäten untersucht. Während 365 Tagen wurden rund 47'000 Personen erfasst. Davon waren 92% am Tag (v.a. an Sonntagen), 3% am Morgen, 5% am Abend und 0.6 % in der Nacht unterwegs. Nach 21 Uhr (im Sommer) und nach 19 Uhr (im Winter) wurden kaum Waldbesuchende registriert. Während dem partiellen Covid-Lockdown im Frühjahr 2020 wurden die frühen Morgenstunden und die späten Abendstunden vermehrt genutzt.
Peters, Anne et al (2023): Welche Auswirkungen haben Erholungsaktivitäten auf Verhalten, Physiologie und Demografie von Wildtieren? In: Naturschutz und Landschaftsplanung 55 (01). Doi: 10.1399/NuL.2023.01.02. Die vergleichende Literaturstudie aus Deutschland stellt den aktuellen Wissensstand zur Störung von Wildtieren verständlich dar. Der Artikel ist eine gute Basis, um sich mit der Thematik vertraut zu machen. Die Literaturstudie umfasst ungefähr den Zeitraum der Jahre 2000 bis 2021. Deshalb sind einige ältere Publikationen, die heute zu den «Klassikern» in diesem Forschungsgebiet zählen, leider nicht erwähnt. Die Arbeit fokussiert auf nicht-alpine Lebensräume und Tierarten. Zudem werden nur Säugetiere behandelt, die Vögel fehlen.
Graf, Roland et al. (2018): Wildtier und Mensch im Naherholungsraum. Swiss Academies Factsheets Vol. 13, Nr. 2. 8 Seiten. Das Factsheet gibt eine Übersicht zu einer Studie der ZHAW Wädenswil an Rehen in einem stadtnahen Erholungswald.
Bötsch, Yves et al. (2017): Experimental evidence of human recreational disturbance effects on bird-territory establishment. Roc. R. Soc. B 284: 20170846. 8 Seiten. Eine aktuelle Publikation in welcher am Beispiel von Waldvogelarten gezeigt wurde, wie sich Störungen durch Freizeitaktivitäten auch erst sehr viel später negativ auswirken können.
Wehrli, Sabrina et al. (2020): Beunruhigung der Wildtiere durch Waldbesucher. Artikel zu den Störungen der Wildtiere durch menschliche Aktivitäten in der Zeitschrift «Zürcher Wald» 5/2020.
Margraf, Christine et al. (1999): Trendsportarten im Alpenraum. Bund Naturschutz in Bayern e.V. Nr. 149. 32 Seiten. Eine etwas ältere Übersichtspublikation aus Deutschland.
Marzano, Mariella & Norman Dandy (2017): Recreational use of forests and disturbance of wildlife. Forestry Commission, Edinburgh. 52 Seiten. Eine umfassende und praxisorientierte Publikation der schottischen Forstbehörde zum Thema.
Larson, Courtney L. et al (2016): Effects of recreation on animals revealed as widespread through a global systematic review. PLoSONE 11(12): e0167259. 21 Seiten. Internationale Studie, die weltweit die verschiedenen Auswirkungen von Freizeitaktivitäten auf Wildtiere gesammelt und gemäss bestimmten Kriterien geordnet hat.
Ingold, Paul (2004): Freizeitaktivitäten im Lebensraum der Alpentiere. Haupt Verlag, Bern. Das Standardwerk zu Freizeitaktivitäten fasst auch für den Wald die wichtigsten Erkenntnisse der Forschung zusammen. Das Buch ist im offiziellen Buchhandel vergriffen, aber in vielen Bibliotheken vorhanden.
Baur, Bruno (2003): Freizeitaktivitäten im Baselbieter Wald. Ökologische Auswirkungen und ökonomische Folgen. Verlag Kanton Basel-Landschaft, Liestal. Umfassende Abhandlung eines stadtnahen Erholungswaldes in der Nordwestschweiz. Das Buch ist im offiziellen Buchhandel vergriffen, aber in vielen Bibliotheken vorhanden.